mailand

 

 

Er holt den Voyager aus dem Parkhaus an der Hinterseite des Hotels und sie die Pässe von der Rezeption. Als alles bezahlt ist und sie durch die Schiebetür nach draußen gehen und mit großen Augen vor der Beifahrertür stehenbleiben. Es hat jemand versucht, das voll bepackte Auto aufzubrechen, was aber nicht gelungen ist. Die Kratzspuren sind direkt neben dem Autogriff sichtbar. "Das kann doch alles nicht wahr sein. Das waren keine 5 Minuten!". Er springt ins Auto: "Komm jetzt, ab gehts."

 

 

Sie kämpfen sich zügig über den verwirrenden Autobahnknoten raus aus Mailand, durch die Lombardei und Richtung Grenze. Es sind noch 1000 Schilling übrig, stellt sie fest, als sie die Pässe in der Tasche verstaut. "Nein, wie dass denn?". Sie machen Halt an einer Autobahnraststelle noch in Italien. Am Parkplatz vor dem Bistro stehen Italiener, die Sachen verkaufen - auch ein alter Mann, dem man niemals unterstellen würde, ein Gauner zu sein.

 

 

Also gucken sie, was er so anbietet. Die Tochter in ihrem Kindersitz wacht auf und will abgeschnallt werden. "Ja, nimm, was er da hat.". "Eine Videokamera?".  Er sieht nicht richtig aus dem Auto raus und ist mit dem Kind beschäftigt. "Ja, warum nicht.". "Ok.". Der alte Mann überreicht ihr einen Original-Karton mit passendem Gewicht und bedankt sich für das Geld. Sie kaufen Snacks, tanken und fahren durch bis zuhause.

 

 

Er erzählt von dem einen Erlebnis in Italien in seiner Jugend mit dem ersten Auto, wo sie den Wagen abstellten am Autobahn-Parkplatz und als sie vom Restaurant zurückkamen, stand die Karosserie auf vier Böcken ohne Reifen. "Ja, lustig. Wie kann so etwas passieren. Die sind ja schneller als beim Boxenstopp am Ring.". Lilly ist zufrieden mit ihrem Einkauf - die Uhr glänzt an der Hand. Die Fotos werden bestimmt wunderbar und eine nette Erinnerung an den letzten Urlaub zu Dritt.

 

Er packt den Karton aus und lacht über seine eigene D.....heit, denn drinnen ist eine perfekt geschnitzte Kamera aus Holz. Nachdem sie sich ausgelacht haben, fährt Lilly gleich in die City und will den 36-Foto-Film entwickeln lassen. Es lässt sich die Anzahl nicht richtig zurücksetzen und zurückspulen. "Was solls, mach ich eben einfach so auf. Ein oder zwei Fotos weniger ist egal.". Sie öffnet das Einlegefach - wo keine Filmrolle drinnen ist.

 

 

"Wie verhext ist das alles.". Das mit den Fotos tut ihr sehr leid. Sie klebt in die vielen breiten, farbigen Ordner unter die Überschrift `Mailand Sommer 1994` die Tickets und Hotelkärtchen und ein paar Ausschnitte aus dem Reiseführer, sowie die Gucci-Rechnung und stellt ihn in das volle, schwarze Bücherregal zurück.

 

Abends denkt sie zurück an die Spiegelung in einem Auslagenfenster, wie sie im verspielten Blumenkleid, hüftlangem Haar, mit ihrer zweiten Tochter im Bauch an dem wunderbaren Sommertag den blauen, italienischen Buggy mit ihrem zweijährigen Lockenkopf drinnen, über die heißen Pflastersteine mitten durch die Tauben vorm Mailänder Dom schiebt und prägt sich dies für immer ein.