Ein Elefant in der Bäckerei

 

 

 

Vater läutet um 6 Uhr morgens und bringt zwei kleine Keramikfiguren vom den vielen Tischen der Flohmarktverkäufer, die sich jeden Samstag unter Lillys Fenster sammeln und reges Treiben in dieser Fußgängerzonen-Hälfte des Stadtplatzes herrscht. "Du bist aber früh unterwegs.", stellt sie verwundert fest, als er die Treppen rauf schwingt. "Ja, woar feiern gestern. Is a bissl länga wurn."

 

 

Sie freut sich über die Figuren und dass sie morgens eine Stunde frei hat und sie selbst sein kann, bevor sie zur Dienerin ihrer Tochter wird. Erst als sie die Keramik näher betrachtet, fällt ihr auf, dass das eine ein niedlicher, orangebrauner Hund ist und das andere ein weißer... "Ein Ar... mit Ohren?". Sie lacht. "Für wen soll der sein?". "Na, egal. I hab irgendwos gnumma."

 

 

Bei Lilly ist Open House - zum Glück ist ihr Traummann, den sie geschickterweise spontan geheiratet hat auch ein geselliger Mensch, wenn nicht sogar der bessere Familienmensch, denn er hat mit niemandem ein Problem, ganz nach dem Motto: "Jeder, wie er will.". Da ihr Mann schon in der Arbeit ist, das Baby noch schläft und er sich bis 7 Uhr wachgehalten hat und die Müdigkeit kommt, verabschiedet sich der Vater.

 

 

Sie wartet schon darauf, dass die Bäckerei öffnet, um sich eines der großen, legendären Käseweckerl und etwas Süßes zu holen, nutzt die Zeit bis dahin um in der Nachbarwohnung die Blumen zu gießen, die Fenster ein paar Momente zu öffnen, weil die Theologin und der Fotograf drei Wochen auf Reise ans Tote Meer sind. Deren große Wohnung liegt U-förmig mit Balkon, auf dem sich ein halber Dschungel an Grünpflanzen befindet und eine große Gießkanne, mit ausschließlich Fenster in den Innenhof und richtig Tageslicht und ein paar Sonnenstrahlen nur um die Mittagszeit.

 

 

Um in das letzte Zimmer zu kommen muss man durch alle anderen gehen. Sie schließt ab, glaubt schon ihre Tochter zu hören, die wie ein Sensor reagiert, wenn sie sich aus der Wohnung entfernt - zB. um Post rauf zu holen. So ist es dann auch: Weinen als ginge die Welt unter, dass sich beruhigt, als sie hochgehoben wird, vorgesungen bekommt, in der Wohnung an den Fenstern entlang herumgetragen wird.

 

 

Lilly traut ihren Augen kaum, als sie zur Bäckerei mit dem hellblauen Schild, die die Zentrale in ihrem Heimatviertel hat und einen mitteleuropaweiten Wachstum hinlegen wird, guckt und einen Elefanten in der Eingangstür stehen sieht. Sie dreht sich weg und wieder hin: er ist immer noch da, besser gesagt sein Hinterteil, dass er wegen der Erhöhung seines Rückens nicht unter dem Eingang durchbekommt, mit den beiden strammen Beinen und dem drehenden schmalen, kurzen Schwanz, der sich wie ein Ästchen am Baum bewegt.

 

 

Sie findet das Größenverhältnis Riesen-Elefant - kleine Bäckerei witzig und hält ihre Tochter ans Fenster, die lächelt wie ein Engel. Als er rückwärts wieder rausnavigiert, sieht Lilly, dass ihn ein bunt gekleideter Mann führt und der Elefant einen großen Laib Brot im Rüssel hält. "Alles klar, der Zirkus ist in der Stadt.